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Kündigung wegen anstehender Haftstrafe auch bei Anspruch auf Elternzeit wirksam


27.04.2018

Die Inhaftierung stellt den stärksten Einschnitt in das Leben der betroffenen Person dar, den das deutsche Rechtssystem vorsieht. Wer also in den „Knast“ muss, verliert nicht nur seine persönliche Freiheit, über sein Leben zu bestimmen und es zu gestalten, wie er möchte.

Nach der Entscheidung des LAG Hessen vom 21.11.2017, Aktenzeichen 8 Sa 146/17, liegt in einer zum Kündigungszeitpunkt noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren ebenfalls ein personenbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Seine Entscheidung begründet das Landesarbeitsgericht Hessen unter anderem damit, dass es dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden kann, Überbrückungsmaßnahmen für die Zeit der Inhaftierung des Arbeitnehmers zu ergreifen und somit auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Darüber hinaus müsse damit gerechnet werden, dass bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers ein zusätzlicher Einarbeitungsaufwand mit berechnet werden muss.

In dem vom LAG Hessen zu entscheidenden Fall bestand jedoch die Besonderheit, dass der klagende Arbeitnehmer, der seine Haftstrafe noch verbüßen musste und deshalb vom Arbeitgeber ordentlich gekündigt wurde, eingewandt hatte, dass er für einen vergleichbaren Zeitraum auch Elternzeit für seine Tochter hätte beantragen können. Somit hätte er seine Arbeitsleistung in einem vergleichbaren Zeitraum ebenfalls nicht erbringen können. Doch dieser Einwand änderte an der Entscheidung des LAG Hessen nichts. Hierzu bestand auch kein Grund, wie im Folgenden erläutert wird:

Was war geschehen?

Der klagende Arbeitnehmer war seit dem Jahr 2011 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Im Jahr 2016 wurde er rechtskräftig wegen seiner Beteiligung an einem versuchten Banküberfall zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Die Verurteilung teilte der Kläger seinem Arbeitgeber am 27.07.2016 mit. Kurz darauf, am 15.09.2016, wurde dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung dann auch tatsächlich unmöglich, da er die Haft in der Justizvollzugsanstalt Butzbach antrat. Seinen Arbeitgeber informierte der Kläger hierüber mit Schreiben vom 19.09.2016.

Der Arbeitgeber hörte zunächst dem Betriebsrat an und kündigte darauf das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2016. Die hiergegen vom inhaftierten Arbeitnehmer erhobene Kündigungsschutzklage wurde in der ersten Instanz vom Arbeitsgericht abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers vor dem LAG Hessen hatte keinen Erfolg.

Die Urteilsgründe der Entscheidung des LAG Hessen vom 21 11.2017

Das Landesarbeitsgericht Hessen stützte seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein personenbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich – unbeschadet einer abschließenden Interessenabwägung – jedenfalls dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt noch eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren zu verbüßen hat und nicht zu erwarten ist, dass dieser vorher entlassen wird. Dem Arbeitgeber ist es dann nicht zumutbar, Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Weiterhin stützte das LAG Hessen sein Urteil auch darauf, dass bei zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszweckes des Arbeitsvertrags infrage gestellt wird. Hierbei kam es zu dem Ergebnis, dass eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers typischerweise eine Lockerung seiner Bindung an den Betrieb und die Belegschaft, sowie den Verlust von Erfahrungswissen mit sich bringt, der normalerweise aus der täglichen Routine resultiert. Aus diesem Grund muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit zusätzlichem Aufwand zur erneuten Einarbeitung des Arbeitnehmers rechnen, vergleiche Bundesarbeitsgericht vom 22.10.2015, Aktenzeichen 2 AZR 381/14.

Aufgrund der Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten war ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben. Das LAG Hessen ist der Überzeugung, dass auch ein während des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vorgelegter Vollzugsplan, aus dem hervorgeht, dass es zu einer vorzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug kommen könnte, an der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung keine Änderung eintritt.

Denn der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach dem Ausspruch der Kündigung kann nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nur in eng begrenzten Ausnahmefällen berücksichtigt werden, vergleiche Bundesarbeitsgericht vom 24. März 2011, Aktenzeichen 2 AZR 790/09. Insbesondere gehe die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Bemühen auf Resozialisierung zu unterstützen nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in der Zukunft eine Lockerung des Vollzugs zu erreichen, bis zum Zeitpunkt einer Klärung, also möglicherweise über Monate hinweg, die Rückkehr auf den Arbeitsplatz zu ermöglichen, vergleiche BAG vom 23.05.2013, Aktenzeichen 2 AZR 120/12. Die Interessenabwägung fiel in diesem Fall zulasten des Klägers aus. Die Klage war daher abzuweisen und die hiergegen gerichtete Berufung zurückzuweisen.

Welche Folgen ergeben sich hieraus für Arbeitnehmer, denen eine Inhaftierung droht?

Nach den vorigen Schilderungen ist eine längerfristige Inhaftierung stets ein personenbedingter Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Wer also rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, muss, wie eingangs erwähnt, immer auch mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen. In Einzelfällen (sehr kurze Haftstrafen oder möglicherweise unbegründete Untersuchungshaft) mag die Situation anders aussehen. Hier sollte umgehend, noch vor Haftantritt, ein Fachanwalt für Arbeitsrecht aufgesucht werden. Nur dieser hat die notwendige Fachkenntnis, die Möglichkeiten gegen die zu erwartende Kündigung umfassend und rechtssicher zu prüfen. Gegebenenfalls muss der Fachanwalt für Arbeitsrecht sich auch mit Einverständnis des Arbeitnehmers mit dem Strafverteidiger „kurzschließen“, um so das bestmögliche Ergebnis für den Arbeitnehmer zu erzielen.

Der Einwand des Anspruchs auf Elternzeit

Die Besonderheit dieses Falles liegt darin begründet, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses eingewandt hat, dass er für einen vergleichbaren Zeitraum auch Elternzeit für seine Tochter hätte beantragen können. Der Gesetzgeber hat Fälle vorgesehen, die dem Arbeitnehmer das Recht einräumen, Rücksicht auf übergeordnete Interessen wie den Schutz von Ehe und Familie und die Erfüllung staatsbürgerliche Pflichten zu nehmen und dennoch seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Hierfür wurden vom Gesetzgeber stets ausdrückliche und eigenständige Regelungen geschaffen. Für die Elternzeit wären dies etwa die §§ 15, 16 BEEG. Hätte der klagende Arbeitnehmer tatsächlich Elternzeit beantragt, so wäre ihm, in rechtlich nicht vorwerfbarer Weise die Erbringung seiner Arbeitsleistung unmöglich gewesen.

Dass das LAG Hessen dieser Argumentation dennoch nicht gefolgt ist, ist nicht zu beanstanden. Denn die Beantragung von Elternzeit hat den Zweck, die eigenen Kinder aufzuziehen. Ist das betroffene Elternteil jedoch inhaftiert, ist ihm die Erreichung dieses Zwecks ebenfalls unmöglich. Insbesondere hatte der Arbeitnehmer keine Elternzeit beantragt. Der Einwand, dass er für einen vergleichbaren Zeitraum durch die Elternzeit dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung gestanden hätte, war daher rein hypothetischer Art.

Auch ist zu beachten, dass die Gewährung von Elternzeit, eine zu verbüßende Haftstrafe nicht aufhebt. In jedem Fall wäre der Arbeitnehmer an der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung gehindert gewesen. Für den Fall, dass diese Verhinderung auf der gewährten Elternzeit beruht hätte, hätte der Gesetzgeber durch das Kündigungsverbot in § 18 BEEG den Arbeitnehmer entsprechend vor einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses geschützt.

Bewertung

Der rein hypothetische Einwand, dass eine anderweitige Verhinderung an der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung hinsichtlich der Länge der Haftstrafe, auch durch einen vom Gesetzgeber gebilligten Zweck hätte erreicht werden können, ist nicht überzeugend. Würde eine solche Argumentation durchgreifen, würden nicht nur die gesetzlich geschützten Ziele, wie der Schutz von Ehe und Familie und die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten konterkariert, sondern auch für den Arbeitgeber Hürden für die Kündigung eines straffällig gewordenen Arbeitnehmers geschaffen werden, die nicht zu rechtfertigen wären.

Empfehlung

Sollten gegen Sie strafrechtliche Ermittlungen laufen, ist nicht nur ein guter Strafverteidiger gefordert, sondern für einen möglichen Erhalt des Arbeitsplatzes auch ein Fachanwalt für Arbeitsrecht. Denn wenn der Arbeitsplatz erhalten werden kann, ergeben sich hieraus im Regelfall auch im Bereich des Strafrechts Verbesserungen für den Betroffenen. Denn je stärker die Verwurzelung in der Gesellschaft nachgewiesen werden kann, umso eher sehen die Strafgerichte sich dazu in der Lage von einer Inhaftierung in Untersuchungshaft bis zur Verhandlung abzusehen, oder eine verhängte Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen. In jedem Fall ist eine Prüfung des Einzelfalles durch entsprechende Spezialisten geboten.

 

Sollten Sie hierzu Fragen haben, kontaktieren Sie mich jederzeit gerne. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht arbeite ich im Bedarfsfall auch mit ihrem Strafverteidiger zusammen, um die Folgen einer möglichen Straffälligkeit abzumildern.

 
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